Nachdem es vor dem Hintergrund einer zurzeit hohen Inflation bis zuletzt ein heftiges politisches Tauziehen um eine sogenannte „Mietpreisbremse“ gegeben hat, wird nun doch mit 1. April 2023 die mit dem RichtWG geregelte Anpassung der Richtwerte mietrechtliche Wirksamkeit erlangen. Dieser Beitrag informiert Sie über die Änderungen und die damit verbundenen Konsequenzen – vor allem im Hinblick auf die Vorschreibung der angehobenen Hauptmietzinse – im Detail.
Neue Richtwerte ab 1. April 2023
a) Allgemeines
Bis zuletzt haben in der Bundesregierung intensive und auch medial begleitete Debatten darüber stattgefunden, ob nicht zur Entlastung der Mieter angesichts der anhaltend hohen Inflation die gesetzliche Valorisierung der Richtwerte in Gestalt einer „Mietpreisbremse“ zwar nicht ausgesetzt, aber doch immerhin verzögert werden sollte – etwa durch eine Aufteilung des sich aus der Veränderung des VPI 2010 ergebenden Ausmaßes der Erhöhung auf drei Jahre. Seit gestern steht fest, dass es zu einem derartigen Eingriff in das RichtWG nicht kommen wird, und eine sozialpolitisch als wünschenswert erachtete Entlastung der Mieter stattdessen durch Wohnkostenbeihilfen in Gestalt einer Einmalzahlung bewerkstelligt werden soll.
Trotz der mancherorts bereits geäußerten Kritik an dieser Lösung aufgrund der Tatsache, dass mit ihr – anders als bei einer „Mietpreisbremse“ – kein inflationsdämpfender Effekt ausgelöst wird, hat sie immerhin den Vorteil sozialer Treffsicherheit (statt eines „Gießkannensystems“ wird auf soziale Schutzwürdigkeit abgestellt, und es werden alle einkommensschwachen Personen, die Wohnkosten zu leisten haben, entlastet, nicht nur Mieter im relativ engen Segment des Richtwertmietzinses). Sie vermeidet überdies einen erneuten Eingriff1 in bestehende Mietverhältnisse (enttäuscht daher schutzwürdiges Vertrauen in den Rechtsbestand nicht und wahrt damit – ganz im Interesse des Wirtschaftsstandorts Österreich – Investitions- und Finanzierungssicherheit).
Gemäß § 5 Abs. 2 RichtWG werden somit auf der Grundlage des Jahresdurchschnittswertes des VPI 2010 für das Jahr 2022 (= 133,6)2 am 1. April 2023 neue Richtwerte mietrechtlich wirksam werden.
Die Richtwerte vermindern oder erhöhen sich gemäß § 5 Abs. 2 RichtWG in dem Maß, das sich aus der Veränderung des von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Jahresdurchschnittswerts des VPI 2010 des jeweiligen Vorjahrs gegenüber dem Indexwert 116,3 (Durchschnittswert des Jahres 2018) ergibt. Bei der Berechnung der neuen Richtwerte sind Beträge, die einen halben Cent nicht übersteigen, auf den nächstniedrigeren ganzen Cent abzurunden und Beträge, die einen halben Cent übersteigen, auf den nächsthöheren ganzen Cent aufzurunden. Die neuen Beträge gelten jeweils ab dem 1. April des betreffenden Jahres.
b) Übersicht über die neuen Richtwerte ab 1. April 2023
c) Mietrechtliche Wirksamkeit ab 1. April 2023
Die mietrechtliche Wirksamkeit der neuen Richtwerte wird am 1. April 2023 eintreten. Dies bedeutet, dass die Ermittlung des Richtwertmietzinses für neue Mietverträge ab 1. April 2023 auf der Basis der neuen Richtwerte erfolgen kann.
d) Kundmachung durch die Bundesministerin für Justiz
Die Bundesministerin für Justiz hat die geänderten Richtwerte und den Zeitpunkt, in dem die Richtwertänderung mietrechtlich wirksam wird, im BGBl kundzumachen (§ 5 Abs. 2 RichtWG).
e) Erhöhung aufgrund vertraglicher Wertsicherungsvereinbarungen ab der Mietzinsperiode Mai 2023
Mietzinserhöhungen bei bestehenden Richtwertmietverträgen mit entsprechenden Wertsicherungsvereinbarungen können ab der Mietzinsperiode Mai 2023 begehrt werden.
Bezüglich der Geltendmachung ist auf die Formerfordernisse des § 16 Abs. 9 Satz 2 MRG hinzuweisen: Das Erhöhungsbegehren hat schriftlich zu erfolgen und ist nach dem Eintritt der mietrechtlichen Wirksamkeit der Veränderung (also nicht vor dem 1. April 2023) abzusenden. Das Schreiben muss wenigstens 14 Tage vor dem Zinstermin, zu welchem die Erhöhung begehrt wird, in der Regel also – unter Berücksichtigung des nach § 15 Abs. 3 MRG idF ZVG3 frühestmöglichen Fälligkeitstermins am Monatsfünften4 – spätestens am 21. April 2023 beim Mieter einlangen.
Achtung! Langt das Schriftstück später als 14 Tage vor dem nächsten Zinstermin beim Mieter ein, so wird die Erhöhung des Hauptmietzinses erst zum übernächsten Zinstermin (Juni 2023) wirksam. Wird das Schreiben jedoch zu früh datiert bzw. abgeschickt, so entfaltet es überhaupt keine Rechtswirkungen: Der Mieter ist weder zum in Aussicht genommenen noch zu einem späteren Termin zur Zahlung der wertsicherungsbedingten Erhöhung verpflichtet. Um in einem solchen Fall zu einer wirksamen Anhebung des Mietzinses zu gelangen, muss der Vermieter dem Mieter ein neuerliches schriftliches Erhöhungsbegehren übermitteln.
f) Neue Grundkostenanteile ab 1. April 2023 (relevant für die Ermittlung der Höhe des Lagezuschlags gemäß § 16 Abs. 3 MRG)
Durch die Anhebung der Richtwerte verändern sich am 1. April 2023 auch die der Richtwertermittlung zugrunde gelegten Grundkostenanteile (GKA) gemäß § 3 Abs. 2 und 5 RichtWG wie folgt5:
Gemäß § 16 Abs. 3 MRG beträgt der zulässige Lagezuschlag 0,33 Prozent der Differenz zwischen dem der Richtwertermittlung zugrunde gelegten Grundkostenanteil des betreffenden Bundeslandes und dem der Lage des Hauses entsprechenden Grundkostenanteil je m² (im Neubaufall erzielbarer) Nutzfläche und Monat.
Achtung! Nach mittlerweile ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung6 entfaltet der Grundkostenvergleich gemäß § 16 Abs. 3 MRG nur für die Ermittlung des Lagezuschlags der Höhe nach Relevanz. Für die Berechtigung eines Lagezuschlags dem Grunde sei die Feststellung der Überdurchschnittlichkeit der konkret zu beurteilenden Lage (Wohnumgebung) vonnöten. Diese könne nicht schon allein aus einem gegenüber der mietrechtlichen Normwohnung höheren Grundkostenanteil abgeleitet werden. Es bedürfe vielmehr einer Prüfung, ob im konkreten Einzelfall die Lage (Wohnumgebung) der Liegenschaft, auf der sich eine Wohnung befindet, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens besser als die durchschnittliche Lage (Wohnumgebung) ist. Bezüglich der durchschnittlichen Lage (Wohnumgebung) sei in Wien der Vergleich nicht mit dem gesamten Stadtgebiet (bzw. in den übrigen Bundesländern: mit dem gesamten Gebiet des jeweiligen Bundeslandes) anzustellen, sondern nur mit jenen Wohngegenden, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet darstellen („Referenzgebietsjudikatur“).7
g) Nächste Anpassung der Richtwerte am 1. April 2025
Gemäß § 5 Abs. 2 RichtWG wird – sofern es nicht zu gesetzlichen Änderungen oder Eingriffen in die bestehende Systematik kommt (womit ja aufgrund der sozialpolitischen Bedeutung des Mietrechts stets gerechnet werden muss) – die nächste Anpassung der Richtwerte am 1. April 2025 erfolgen.
Der allgemeine Valorisierungsrhythmus (mietrechtliche Wirksamkeit der Änderung der Richtwerte zu jedem 1. April eines ungeraden Jahres auf der Grundlage des Jahresdurchschnittswerts des VPI 2010 des jeweiligen Vorjahres, somit also alle zwei Jahre) wurde in der jüngeren Vergangenheit lediglich durch das MPFLG8 durchbrochen, das die Anpassung der Richtwerte im Jahr 2021 ausgesetzt hat und stattdessen eine – demnach verzögerte – Anpassung erst am 1. April 2022 stattgefunden hat.
- An derartige Eingriffe durch das MILG (BGBl I 2008/50), das 2. MILG (BGBl I 2016/12) und das MPFLG (BGBl I 2021/59) sei erinnert. ↩︎
- Gegenüber dem Jahresdurchschnittswert des VPI 2010 für das Jahr 2018 (116,3) als Vergleichszahl. ↩︎
- BGBl I 2013/50. ↩︎
- Die Kundmachungen des Bundesministers bzw. der Bundesministerin für Justiz zu den Kategoriebeträgen gemäß § 16 Abs. 6 MRG setzen den „Zinstermin“ im Sinne des § 16 Abs. 9 MRG stets mit „Mietzinsfälligkeit“ gleich, die nunmehr aufgrund des § 15 Abs. 3 MRG idF ZVG frühestens am Monatsfünften eintritt. Die Frist von 14 Tagen ist also vom Fälligkeitstermin (in der Regel Monatsfünfter) und nicht vom Beginn der Mietzinsperiode (Monatserster) zurückzurechnen. Dies gilt auch für die Vorschreibung von angehobenen Hauptmietzinsen aufgrund einer Erhöhung der Richtwerte. ↩︎
- Formel: Richtwert*(Zahl des in der Kundmachung für das jeweilige Bundesland verlautbarten Prozentsatzes für den Grundkostenanteil/100)*12*(100/4); gekürzt also: Richtwert*Zahl des verlautbarten Prozentsatzes für den Grundkostenanteil*3. Die maßgeblichen Prozentsätze für die Bundesländer lauten wie folgt: Burgenland 3,19%; Kärnten 6,06%; Niederösterreich 8,04%; Oberösterreich 7,50%; Salzburg 11,48%; Steiermark 7,99%; Tirol 9,08%; Vorarlberg 11,35%; Wien 17,21%; ↩︎
- Vgl 5 Ob 74/17v ↩︎
- RS0131812 ↩︎
- BGBl I 2021/59. ↩︎
Möchten Sie mit uns Kontakt aufnehmen?
Ganz egal ob Sie eine Frage zu einem unserer Inhalte haben oder sich für etwas anderes interessieren - wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.